Pressemitteilung vom 9. Juni 2025
*Der Sprecher des Vorstandes des AfD-Ortsverband Singen, André Rehm, wurde zu elf Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt.
*Richter und Staatsanwaltschaft sehen eine „hohe kriminelle Energie“ und keine gute Sozialprognose.
*Distanzierung der AfD ist „scheinheilig und durchschaubar“, so das Bündnis „Konstanz für Demokratie“.
André Rehm ist Sprecher des Vorstandes des AfD-Ortsverband Singen. Er sollte am 3. Juni 2025 in den Gemeinderat nachrücken. Die Stadtverwaltung Singen hat den Tagesordnungspunkt „Verpflichtung von Herrn Andre Rehm als Gemeinderat“ kurzfristig von der Tagesordnung genommen. Als André Rehm bei den Gemeinderatswahlen im Juni 2024 8489 Stimmen der Wahlberechtigten aus Singen erhielt, war er bereits u.a. wegen Urkundenfälschung, schwerer Körperverletzung, Diebstahls und unerlaubtem Waffenbesitz vorbestraft. Am vergangenen Freitag (6. Juni) wurde Rehm vor dem Landgericht Konstanz wegen erneuten Straftaten zu elf Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.
Ob Rehm sein Mandat im Gemeinderat dennoch antritt, ist derzeit unklar und liegt weiter in dessen eigener Entscheidung. Sein passives Wahlrecht würde er erst dann verlieren, wenn er für eine Straftat zu mehr als einem Jahr Haft verurteilt würde. Dann erst gilt die Schwere der Tat als Verbrechen. Richter Tasso Bonath sah es im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Konstanz als erwiesen an, dass der Beschuldigte André Rehm einen jungen Mann im März 2023 in der Singener Südstadt so gewürgt hatte, dass dieser notärztlich versorgt werden musste. Zudem hat Rehm den Geschädigten bedroht: „Wenn du zur Polizei gehst, steche ich dich ab“, so die Ermittlungen. Rehm bestritt vor Gericht die Tat. Eine Freundin verschaffte ihm im ersten Verfahren vor dem Amtsgericht Singen ein falsches Alibi. Die junge Frau ist mittlerweile selbst wegen Falschaussage rechtskräftig zu 120 Tagessätzen verurteilt. Auch in der Hauptverhandlung im Berufungsverfahren am 6. Juni 2025 wirkte der Geschädigte im Zeugenstand eingeschüchtert und machte entlastende Aussagen zugunsten des Angeklagten Rehm. Richter Bonath fragte bei dem durch die Tat verletzten und bedrohten jungen Mann mehrfach nach, ob er Angst habe auszusagen und ob er mittlerweile Kontakt zum Angeklagten gehabt hätte. Am ersten Verhandlungstag vor dem Landgericht war der Geschädigte als Zeuge bereits unentschuldigt nicht erschienen.
In einer zweiten Straftat, für die André Rehm vor dem Landgericht angeklagt war, hat der AfD-Vorstand einen Mann in Folge eines Streites eine Waffe an den Kopf gehalten. Diese wurde von der Polizei am Tatort bei Rehm gefunden. Auch diese Straftat bestritt der Angeklagte bis zum Schluss. Angaben zur Sache machte er nicht. Auch für diesen Sachverhalt wurde Rehm vor dem Landgericht verurteilt.
Um das mögliche Strafmaß zu verringern führte der Strafverteidiger Dr. Michael Busching das ehrenamtliche Engagement seines Mandanten an. So engagiere André Rehm sich in einem „Rollstuhlclub“ und sei „Schlichter bei der Stadt Singen“. Zudem legte er dem Gericht auch ein Schreiben von einer Werbeagentur aus Rielasingen vor, demnach Rehm ab Juli 2025 in Form eines „Minijob“ einer regelmäßigen Tätigkeit nachginge. Auch seine baldige Berufung zum Gemeinderat führte der Strafverteidiger für eine gute Sozialprognose an. Die Staatsanwaltschaft ließ es „mal dahingestellt, ob die Kandidatur für eine gesichert rechtsextreme Partei“ zu einer besseren Sozialprognose führe.
Richter Tasso Bonath folgte in weiten Teilen seiner Urteilsbegründung dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft. Beide sahen eine „hohe kriminelle Energie“, die vom verurteilten Rehm ausginge. Dies musste beim Strafmaß berücksichtigt werden. Die Strafe musste zwingend ohne Bewährung ausgesprochen werden, so Richter Bonath, weil der Angeklagte aus anderen Strafverfahren mehrfach gegen Bewährungsauflagen verstoßen hat. Die Staatsanwaltschaft führte darüber hinaus an, dass gegen André Rehm bereits ein weiteres Strafverfahren anhängig sei.
Der AfD-Kreisverband inszeniert sich in einer Pressemitteilung als die Partei, die sich für „Recht und Gesetz“ einsetze. Als André Rehm im Juli 2024 von den AfD-Mitgliedern zum Sprecher des Vorstands des AfD-Ortsverband Singen gewählt wurde, war das Strafverfahren bereits anhängig, er mehrfach vorbestraft und nur zur Bewährung nicht im Strafvollzug. „Die AfD-Mitglieder wussten, dass sie einen kriminellen Straftäter zu ihrem ersten Sprecher wählten“, so das Bündnis „Konstanz für Demokratie“.
Selbst nach der neuerlichen Verurteilung vor dem Landgericht Konstanz spricht der AfD-Kreisverband in dessen Pressemitteilung von der „Schwere der Urteile“ durch die Gerichte, nicht von der „Schwere der Taten“ ihres Funktionärs. Gleichzeitig bedauere der Kreisverband, dass es zu ihrer Pressemitteilung kommen musste. Aber der AfD-Kreisverband „akzeptiere das aktuelle Urteil“. Die rechtsradikale Partei fordert Riem zwar wegen einer möglichen Schädigung des Ansehens der AfD zum Austritt auf. Seiner Parteiämter enthebt sie ihn allerdings nicht. Das Bündnis „Konstanz für Demokratie“ hält diese Reaktion für „scheinheilig und durchschaubar“.
